Tobias Kehl Portrait | © Tobias Kehl
Quelle: Tobias Kehl
6. März 2023

AI Startup Rising: Eine Skalierungsplattform, die KI-Startups zum Erfolg verhilft

Wie KI unser aller Leben verändern kann, was für Potenzial in Hessen steckt und was AI Startup Rising eigentlich ist, hat uns Tobias Kehl im Interview beantwortet.

Tobias führt AI Startup Rising als Projektleiter und setzt sich intensiv mit künstlicher Intelligenz auseinander. AI Startup Rising ist, neben Berlin, Hamburg und München, eine von vier KI-Modellregionen, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in Deutschland finanziert werden. Tobias hat ursprünglich Maschinenbau an der TU Darmstadt studiert, aber sein Interesse hat sich im Laufe der Jahre über Sensorik und Daten in Richtung des Maschinellen Lernen verlagert. Er verbrachte vier Jahre bei einem Corporate Startup (Ausgründung aus dem Mittelstand) , das Komplettlösungen im Bereich der Industrie4.0 baut. Seit zwei Jahren ist Tobias nun am hessischen Zentrum für künstliche Intelligenz.

 

AI Startup Rising ist eine Skalierungsplattform für KI-Startups in Hessen, die eine „Leuchtkraft auf internationaler Ebene erreichen sollen“, beschreibt uns Tobias. Das Projekt unterstützt Startups von der frühen bis zur späten Phase, angefangen bei der Begeisterung für KI in der Studienzeit bis hin zur Unterstützung in den Schritten der Vertriebsskalierung und Internationalisierung. Die Plattform soll KI spezifisch Lücken schließen, die in Deutschland und Mittelhessen im Supportbereich bestehen. Der Fokus liegt dabei momentan auch stark auf den späteren Phasen. Bei denen gäbe es aktuell so gut wie kein Angebot, berichtet Tobias.

 

„Wir als Rising-Programm konzentrieren den Gründungssupport des hessischen Zentrums für künstliche Intelligenz, hessian.AI“. Dabei arbeite das Projekt sehr eng mit der Forschung zusammen. Im Rahmen des Aufbaus von hessian.AI, fördert das Land Hessen unter anderem die Erweiterung der 22 vorhandenen KI-Professuren auf 44. In Hessen Interdisziplinarität innerhalb der KI, aber auch in den Anwendungsbereichen zu fördern, nimmt dabei eine zentrale Rolle ein, berichtet uns Tobias. Daneben sei außerdem die Bereitstellung und der Umgang mit den entsprechenden KI-Recheninfrastrukturen eine wichtige Komponente des Vorhabens. Neben der Säule des Forschungstransfers durch Startups, wird geschaut, inwiefern anwendungsnahe Forschung unter anderem in künstlerische, soziale oder unternehmerische Bereiche übertragen werden kann. Hier nennt Tobias Projekte wie den European Digital Innovation Hub (EDIH), der eine Brücke zu mittelständischen Unternehmen schlagen soll, das Artist-in-Science-Residence Programm, bei dem Künstlerinnen und Künstler mit KI einen kreativen Mehrwert schaffen können, oder das Schulprojekt „KI macht Schule“, bei dem Schülerinnen und Schüler für KI Themen sensibilisiert werden sollen.

 

Tobias schätzt den generellen Stand in Hessen in Sachen KI Involvement gut ein. Dennoch sieht er auch viel ungenutztes Potenzial. So gibt es nach seinen Einschätzungen zu Folge etwa 10  KI-Startups in Hessen, die in den letzten Jahren entstanden sind und mittlerweile eine Größe haben, dass sie Investitionssummen im zweistelligen Millionenbereich einsammeln können bzw. das bereits getan haben. Im Vergleich zu Ökosystemen, wie dem Silicon Valley, so empfindet Tobias, wird das hessische Ökosystem noch zu fragmentiert und zu sehr Stadt-fixiert gedacht. Hierzu sieht er die Verabschiedung von starkem Lokalpatriotismus als notwendig, um den Austausch unter den Playern zu fördern. „Wenn wir als Region vorankommen wollen, muss es egal sein, ob Hubs, Teams oder Infrastruktur in Mittelhessen, Frankfurt, Kassel oder Darmstadt angesiedelt sind. Wichtig ist, dass kooperativ gehandelt wird und dass die Umsetzung schnell geht“.

 

KI habe ein hohes Disruptionspotenzial und sei nicht mehr nur für repetitive Aufgaben, sondern auch zum Beispiel für kreative Prozesse geeignet, wie man an aktuellen Beispielen wie ChatGPT oder midjourney sehen kann. Das mache deutlich, dass man in den unterschiedlichsten Branchen einen Wandel sehen wird, so Tobias. Dass sich aktuell viel tut sei vielen klar, aber mit welcher Geschwindigkeit sich KI aktuell entwickelt, sei den meisten nicht bewusst. So antizipiert Tobias, dass die Generierung von Bildern und Texten in den nächsten Monaten auf Videos ausgeweitet wird und Unternehmen zum Beispiel ganze Promovideos durch eine KI generieren lassen können.

 

Dass diese Zukunftsvorstellungen nicht nur positive Gefühle auslösen, kann Tobias nachvollziehen. „Das Gefahrenpotenzial ist immens groß, wenn ich zu einem Level komme, wo KI bestimmte Prozesse automatisiert und ggf. unkontrolliert durchführen kann“. Es sei also auch wichtig, sich über Regulierungen und Grenzen Gedanken zu machen. Dennoch plädiert Tobias dafür, dass wir uns nicht von Ängsten treiben lassen sollten. Zu enge Grenzen schränken Startups aus bestimmten Bereichen in ihrer Entwicklung sonst völlig ein. Ein Gleichgewicht zu finden, sei das Ziel.

 

Ein kritischer Aspekt hierbei sei, dass die fortgeschrittene Technologie heutzutage für viele Menschen so komplex geworden ist, dass es für sie schwierig ist, einen Zugang zu den zugrunde liegenden Prozessen zu finden und sie zu verstehen. Ein weiterer Faktor, der problematisch sein kann, ist der sogenannte Bias. Dieser entsteht durch die Verwendung von Daten, auf deren Basis KIs trainiert werden. Tobias nennt hier das Beispiel der Bildgenerierungsapp lensa.ai, die bei der Erstellung von Bildern sehr stereotype Geschlechterrollen reproduziert hat. Der Grund dafür ist, dass lensa.ai ihre Daten aus verschiedenen Quellen bezogen hat, die eben genau solche stereotypen Bilder widerspiegeln. Es sei von großer Bedeutung, diese Aspekte kritisch zu betrachten.

 

Was Tobias persönlich daran interessiert, sei vor allem das große Veränderungspotenzial, dass der KI-Entwicklung inne liegt. Als Wunschvorstellung könne er sich zum Beispiel ein Assistenzsystem vorstellen, das uns gezielt bei Alltagsaufgaben unterstützt. „Reicht es nicht, wenn wir wertschöpfend 15-20h die Woche arbeiten und die Stunden, die wir damit beschäftigt sind, irgendwelche Klicks zu machen, Mails zu schreiben oder Tabellen auszufüllen, von einem anderen System übernehmen lassen. […] Sodass wir uns wieder auf die Sachen fokussieren können, die mehr sozialen und menschlichen Wert haben“. Aber auch die Stärkung des Ökosystems und die internationale Sichtbarmachung spornen ihn an.

 

Nicht zuletzt muss KI auch stärker im Klimaschutz eingesetzt werden, beschreibt Tobias. Technologie allein ist kein Allheilmittel, kann aber gerade in der Kombination mit Entrepreneurship einen großen Beitrag leisten. Er hält fest: „Ich glaube, dass wir in Hessen auf einem guten Weg sind und wenn wir uns gegenseitig unter die Arme greifen, sehr viel Potenzial haben.“

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