30. Januar 2023

„In so einer Situation zählt jede Sekunde“

Wie eine kleine Chipkarte die Arbeit von Feuerwehr und Rettungsdienst und den Verkehr revolutionieren soll und was eine Dokumentation über Hobbyflieger damit zu tun hat, hat Ardian Kulic uns im Interview erzählt.

Ardian Kulic ist 35 Jahre alt, studiert Maschinenbau an der Technischen Hochschule Mittelhessen und versucht mit seinen Ideen die Welt ein stückweit sicherer zu machen. Nachdem er fünf Jahre lang, unter anderem in der Leitung eines Autohauses, gearbeitet hat, merkte er, dass ihm die Arbeit als Ingenieur fehlte und er wieder studieren wollte. Zuvor habe er bereits studiert, musste sein Studium jedoch unterbrechen.

 

2018 dann, beim Schauen einer Dokumentation über einen Hobbyflieger, der bei einem Absturz nur wegen des Ausstiegs über die Seitentür überlebt hat, kam Kulic die Frage auf, warum dieses Prinzip nicht auch bei Autos angewendet werden kann. Die Idee eines aktiven Schlosshalters war damit geboren. Das Problem bei den Sicherheitstest von Fahrzeugen ist, dass Punkte in der Bewertung abgezogen werden, wenn sich beim Crashtest die Türen öffnen. Die Idee von Kulic ist es, einen Halter einzubauen, der die Tür nur einen Spalt aufhält, sodass keine potenziell verletzungsverursachenden Teile in das Fahrzeug reingelangen, die Leute aber dennoch im Falle eines Unfalls aus dem Fahrzeug heraus gelangen. Er arbeitete sich rein, entwickelte Prototypen und brachte sich selbst den 3D-Druck bei, nachdem er die ersten Formen mit Kerzenwachs im heimischen Wohnzimmer anfertigte. Mit dieser Idee ist er dann zum Patentanwalt gegangen, der sofort begeistert war. Gleichzeitig holte er sich auch noch die Meinungen von anderen Anwälten ein, bevor er dann 2019 im Patentamt in München zugeschlagen hat.

 

Die Problematik, derer Kulic sich gegenübersah, war überhaupt in die Automobilbranche hereinzukommen. Als Außenstehender, selbst mit Kontakten, sei dies sehr schwierig. Kulic berichtet uns zum Beispiel, dass er es einmal über öffentliche Wege versucht habe und schlussendlich bei einem Callcenter in Tschechien gelandet sei. In anderen Fällen habe er teilweise monatelang auf Antworten gewartet. Hier wünscht er sich, dass Gesprächspartnerinnen und -partner von Anfang kommunizieren, wenn sie nicht überzeugt von seiner Idee sind, da ihm eine negative Antwort lieber sei als keine Antwort. Momentan stehe er im Austausch mit potenziell interessierten Unternehmen. Seine Idee ist es, sein Patent als Lizenz zu vertreiben, sodass jeder Hersteller den Halter an sein eigenes Fahrzeug anpassen kann.

 

Beim weiteren Forschen habe er dann festgestellt, dass es auch andere Probleme im Prozess gibt. So ist er dann auf die Idee gekommen, Rettungskarten zu digitalisieren. Bisher sind Rettungskarten in Deutschland einfache Papierausdrücke, auf denen eine Detailansicht des Fahrzeuges mit allen wichtigen Bauteilen zu sehen ist. Vor allem in Unfallsituationen sei dies für die Feuerwehr essenziell, da Fahrzeuge durch den Materialmix so konstruiert sind, dass die Rettung von Menschen aus dem Fahrzeuginneren schwer sein kann oder bei E-Autos zum Beispiel die elektrischen Komponenten ein Gefährdungspotential darstellen. Außerdem ist jedes Automodell anders konstruiert. Eine Aneignung von diesem Wissen seitens der Feuerwehr ist also kaum stemmbar. In Deutschland sind die Rettungskarten nicht verpflichtend und auch bei den meisten Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern nicht bekannt.

 

„In so einer Situation zählt jede Sekunde“, beschreibt Kulic. So kam ihm die Idee, diese überlebenswichtigen Informationen zu digitalisieren. Kulic hat sich überlegt, einen RFID-Chip zu verwenden, dessen Technik zum Beispiel auch in der Logistikbranche oder bei Kleidungsstücken im Handel eingesetzt wird. Dieser kann aus mehreren Meter Entfernung ausgelesen werden und bietet in Sekunden alle wichtigen Daten, die die Feuerwehr benötigt. Durch das Verknüpfen einer ID, ist es möglich ohne persönliche Daten auszukommen. Kulic sieht in dieser Technik auch den Vorteil, dass die Digitalisierung der Verkehrsüberwachung ermöglicht werden könne, die momentan in Deutschland noch größtenteils über visuelle Komponenten erfolgt. Daraus könne auch eine gezieltere Einsetzung von öffentlichem Nahverkehr und eine Reduzierung von CO2-Bildung durch die Verhinderung von Stau ermöglicht werden. Die Politik mit dieser Lösung anzusprechen und eine Anbringung an jedes Auto zu verpflichten, ist sein Ziel.

 

Im Mai 2022 habe er sich dann für das Startup Weekend angemeldet und in der freien Runde die Idee seines Schlosshalters präsentiert. An diesem Wochenende gewann er den Publikumspreis, der einen Termin mit Philipp Glock, Rechtsanwalt und Redner beim Startup Weekend, beinhaltete. Hauptsächlich wollte er von anderen lernen, zumal, so beschreibt uns Kulic, es ihn auch Überwindung koste, vor anderen auf der Bühne zu sprechen. „Das Startup Weekend war auch der Punkt, an dem wir gesagt haben, wir konzentrieren uns darauf und machen Nägel mit Köpfen“. Für ihn sei das Schlimmste sich in 20 Jahren zu fragen, was hätte gewesen sein können, wenn er es probiert hätte. Kulic berichtet uns, dass vor ein paar Wochen die Gründungsunterlagen verschickt worden seien.

 

Momentan beschäftigen sie sich vor allem mit dem Aufbau eines Onlineshops und dem Businessplan. Für ihn ist das alles neu, er ist aber gewillt sich in alle Aspekte hereinzuarbeiten, auch wenn es nur darum geht, ein Gespür für bestimmte Vorgänge zu bekommen. Für die Rettungskarte stehen Kulic und sein Team im Austausch mit Feuerwehren, die am meisten davon profitieren würden, so Kulic.

 

In dem bisherigen Prozess habe er gelernt, dass es wichtig ist offen zu sein und Menschen von seiner Idee zu erzählen. In seinem Umfeld gäbe es kaum jemanden, der ein eigenes Unternehmen aufgebaut habe, der Zugang zu einem Netzwerk und zu Kontakten, vor allem über Veranstaltungen, sei für ihn also unerlässlich gewesen.

 

Kulic wünscht sich, dass die Rettungskarte zum Standardwerkzeug in jedem Fahrzeug wird. „Wir erhoffen uns, dass wir die Welt ein bisschen sicherer und grüner machen können“.

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