Martin Lacroix schaut in Kamera | © Martin Lacroix
Quelle: Martin Lacroix
10. Januar 2023

„Führung ist eine der anspruchsvollsten Aufgaben in einem Unternehmen“

Martin Lacroix spricht mit uns im Interview über Führung in Veränderungssituationen, Skills, die jeder Leader benötigt und warum es so wichtig ist, das Zuhören zu lernen.

Martin Lacroix ist Berater für Change-Management und Führung aus Gießen. Aktuell ist sein Engagement eng mit dem Marburger Lokschuppen und dem dort ansässigen Innocou Hub verbunden, wo er sich mit den Themen Gründung, Transformation von Unternehmen sowie neuen Formen der Arbeit beschäftigt und die Founder School und das Founder Lab initiiert hat. Seit mehr als 20 Jahren setzt er sich damit auseinander, wie man gute Führung und Transformationsfähigkeit in Organisationen etablieren kann. „Führung und die erfolgreiche Gestaltung von Veränderungsprozessen ist ein erfolgskritischer Faktor. Deshalb befassen sich Unternehmen auch schon lange mit diesen Themen. Dennoch kann festgestellt werden, dass in vielen Fällen Führung und Veränderungsprojekte misslingen“, sagt Lacroix. Entscheidend sei für ihn, dass das richtige Mindset vorherrsche, konkrete Führungsmodelle und eine positive Veränderungskultur verankert seien. Erst dadurch könne es zu nachhaltigen Verbesserungen und Leistungssteigerungen kommen.

 

Neben seinen unternehmerischen Tätigkeiten ist sein Name eng mit der Entwicklung des mittelhessischen Startup-Ökosystems verbunden. Im Jahr 2016 hat Lacroix das erste Startup Weekend in Mittelhessen organisiert, das er 2019 an das Regionalmanagement übergab. „Das Thema Gründung und Startups hatte in Deutschland deutlich an Fahrt aufgenommen. Es ging um Gründungen im Stile von Google oder Facebook und ich wollte wissen, welche Geschichten in Mittelhessen zu diesem Thema geschrieben werden können. Das Startup SofortÜberweisung kann ohne Weiteres als eine der größten Erfolgsgeschichten genannt werden, aber niemand wusste, dass dieses innovative Unternehmen hier in der Region gegründet wurde“.

 

Das Wissen darüber, wie man solche Unternehmen aufbaut und wie sich Unternehmen neu erfinden sei in Vergessenheit geraten. „Deshalb haben wir das Startup Weekend Mittelhessen gegründet. Kluge Köpfe mit Ideen konnten diese in einem geschützten Raum ausprobieren und in ihre Idee in einem sehr kurzen Zeitraum konkretisieren und weiterentwickeln. Eigentlich auch ein gutes Verfahren, um in etablierten Unternehmen völlig neuartige Produkte zu entwickeln und sich neu aufzustellen. Vor der Herausforderung stehen ja momentan viele Organisationen aus der privaten Wirtschaft, genauso wie der öffentlichen Verwaltung“, stellt Lacroix fest.

 

Entscheidend für den Erfolg – unabhängig ob junges Startup oder etablierte Organisation – sei die Führung und das Mindset, das in Organisationen bzw. bei Führungskräften vorherrscht.  „Für viele Organisationen wird es darauf ankommen, den Wandel proaktiv zu gestalten. Normalerweise bedeutet dies auch Risiken einzugehen, wozu viele nicht bereit sind, da hiermit ein potentielles Scheitern einhergeht. Und an diesem Punkt muss Führung einsetzten. Führung legt den Rahmen fest, in dem gedacht und gehandelt werden darf. Starke Einschränkungen sind für die Gestaltung der Zukunft nicht sonderlich hilfreich“, schlussfolgert Lacroix.

 

Führung erfolgreich zu gestalten, ist für den Berater eine der anspruchsvollsten Aufgaben, die man in einer Organisation übernehmen kann. Viele würden daran scheitern, da sie Führung nie richtig gelernt hätten, sagt Lacroix. Er selbst hat seine Führungsausbildung beim Militär absolviert. „Während meiner Ausbildung zum Offizier hat mich mein Vater auf das Motto des englischen Offizierscorps aufmerksam gemacht: Serve to lead! Diene um zu führen! Eine sehr interessante Idee, wie ich immer noch finde. Interessanterweise wird das Bild des Servant Leaders aktuell auch im Kontext agiler Arbeitsmethoden als idealer Führungsstil propagiert“, erklärt Lacroix. Dementsprechend sei Servant Leadership einer der erfolgversprechendsten Ansätze, der zum Gelingen von Transformationsprozessen beitragen kann. „Führung sollte nichts mit stupiden Vorgaben zu tun haben, sondern mit der Gestaltung von Rahmenbedingungen, in denen sich Beschäftigte einbringen und entwickeln können und die Führungskraft neben der Aufgabe der Entscheidungsfindung, Ansprechpartner und Coach sein muss.“ Machtorientiertes und einschränkendes Verhalten hingegen führe zwangsläufig zu suboptimalen Ergebnissen, sei aber das typische Verhaltensmuster, das von Führungskräften in Veränderungssituationen gezeigt werde, so Lacroix.

 

Man müsse aber auch festhalten, dass Führungskräfte von Organisationen oft alleine gelassen werden, bemängelt Lacroix. Gute Führung zu ermöglichen, diese Aufgabe liege zunächst bei der Organisation und nicht bei der Führungskraft. „Das mag kontraintuitiv erscheinen, beschreibt aber die Situation, die ich im Rahmen meiner Beratungstätigkeit immer wieder vorfinde“, erklärt Lacroix. Zu oft werde nicht definiert, was unter guter Führung zu verstehen sei und welche Führungsinstrumente eingesetzt werden sollten. Darüber müsse Klarheit bestehen, wenn Führung gelingen solle, fügt er hinzu.

 

In diesem Zusammenhang nennt Lacroix das Beispiel von Mitarbeitergesprächen, die eigentlich zu einer Leistungssteigerung führen sollen. Studien zeigen allerdings, dass in ca. 40% aller Fälle genau das Gegenteil geschehe – unabhängig davon, ob das Feedback positiv oder negativ sei, beschreibt Lacroix. Hier fehlt Organisationen das notwendige Wissen, das die Organisationspsychologie bereitstellt und das Führungskräfte für eine erfolgreiche Arbeit nutzen sollten. Als Ergänzung zum Feedback empfiehlt er Feedforward, das Listening – also Zuhören – in den Mittelpunkt stelle. „Ein relativ günstiges Führungsinstrumente, das bisher wenig Anwendung findet.“ Laut Lacroix geht es beim Listening nicht darum, nur passiv Informationen aufzunehmen, sondern vielmehr um die Bereitschaft der Führungskraft, sich auch unangenehmen Wahrheiten zu stellen. „Nichts ist schlimmer als eine Information, die man zu spät erhält und als Führungskraft nur noch reagieren und nicht mehr agieren kann“, befindet Lacroix. Entscheidend für den konstruktiven Umgang mit Fehlern sei ein positives Mindset, das man erlernen kann. „Man unterscheidet das Growth Mindset und das Fixed Mindset“, erläutert der Berater. Während das Growth Mindset Probleme als Herausforderung betrachte und lösungsorientiert sei, fokussiere das Fixed Mindset auf Gefahrenvermeidung und Verdrängung, was zu einer Einschränkung der Handlungsoptionen und in der Regel zu schlechteren Ergebnissen führe. „Ich habe mich lange mit dem Thema mentale Einstellung auseinandergesetzt und mit dem Growth Mindset liegt ein Konzept vor, dass wirklich in kurzer Zeit zu erstaunlichen Veränderungen beiträgt und damit zu einem unabdingbarem Skill wird, wenn es um die Bewältigung von Veränderungen geht“, konstatiert Lacroix.

 

Um gute Führung nachhaltig zu verankern und Wandel erfolgreich zu gestalten, sind für Lacroix zwei Dinge notwendig:

 

Zum einen müsse ein klares Führungsmodell entwickelt werden, in dem die Verhaltensweisen einer guten Führungskraft definiert sind. Hinzu komme, dass die im Führungsmodell beschriebenen Verhaltensweisen gemessen werden müssen, wenn es nachhaltig in einer Organisation verankert werden soll. Dazu nutzt Lacroix Befragungen, die er mit seiner eigenen Befragungsplattform durchführt. Die Messung der „weichen Erfolgsfaktoren“ sei genauso wichtig, wie die Bestimmung bspw. monetärer Kennzahlen und die entscheidende Voraussetzung für die Verbesserung der Führungsqualität.

 

Zum anderen müsse in die Ausbildung von Führungskräften investiert werden. Dabei reiche es nicht aus, Führungskräfte auf den einen oder anderen Workshop zu schicken. „Es ist wichtig, auch hier systematisch vorzugehen. Führungskräfte müssen über Wissen der Führungspsychologie verfügen, um die Beziehung zu Team-Mitgliedern positiv und damit für alle gewinnbringend zu gestalten. Das gilt für Handwerksbetriebe genauso wie für Weltmarktführer“.

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