„Einfach mal machen“
Wie meistern kleine und mittelständische Unternehmen die Herausforderungen angesichts ökonomisch unsicherer Zeiten? Über 190 Wirtschaftende waren am vergangenen Donnerstag zur ausgebuchten fünften Ausgabe des „Innovationsforums Mittelhessen“ ins Gießener Kinopolis gekommen, um gemeinsam Antworten zu finden. „Komplexität wird in Zukunft nicht nachlassen, viele neue Herausforderungen und Krisen kommen auf uns zu“, sagte Christoph Bornschein in seinem Schlüsselvortrag mit dem Titel „Zukunft als Teamsport: Warum und wie sich der Wandel nur als Gemeinschaft gestalten lässt“. Der Mitgründer von Deutschlands erster Social-Media-Beratungsfirma TLGG arbeitet auch für global tätige Unternehmen und gab bei der Veranstaltung Tipps für die strategische Nutzung digitaler Technologien – darunter auch Künstliche Intelligenz. Diese bringe Bewegung in die Tech-, Wirtschafts- und Politikwelten, sagte Bornschein. Denn: „Unsere Wettbewerbsfähigkeit wird herausgefordert.“
„Digitalisierung ist nicht immer eine Effizienzfrage für Unternehmen“, machte Bornschein deutlich. „Wir haben ein Haltungsthema.“ Der hiesigen Wirtschaft attestierte er ein „Defizit an positiven Fortschrittsnarrativen.“ Aber: „Regionalität hilft in enormen Maßen“. Dies ändere aber nichts an einer fundamentalen Notwendigkeit: „Wir brauchen eine kohärente digitale Strategie“. Allerdings erteilte er auch zu viel Zögerlichkeit eine Absage und gab dem Publikum den Ratschlag mit auf den Weg: „Einfach mal machen.“
„Chancen gibt es genug“, konstatierte auch Prof. Dr. Friedhelm Loh im Interview mit hr-info -Moderatorin Bianca von der Au zum Thema „Innovation durch Kooperation“ in seiner Unternehmensgruppe, zu der unter anderem Rittal, der weltweit führende Hersteller von Schaltschränken, zählt. „Wer sieht sie? Wer treibt sie? Wer investiert in sie?“, stellte er die entscheidenden Fragen in den Kino-Raum. „Als Unternehmer müssen Sie der Treiber von Innovation sein“, betonte Loh. Diese sei „der Nährboden“ für die eigene Existenz als Entrepreneur. Letztlich sei aber die wichtigste Herausforderung: „Wieviel Mut ist im Spiel und wie viele Bedenkenträger sitzen am Tisch?“ In diesem Zusammenhang gab Loh, der auch als Mittelhessen-Botschafter wirkt, eine Anregung: „Sorgen sie dafür, dass mehr Mutige als Bedenkenträger an Ihrem Tisch sitzen.“
Aus verschiedenen Perspektiven blickten die Teilnehmer der von Benjamin Stuchly, Ökosystemmanager beim Regionalmanagement Mittelhessen, moderierten Panel-Diskussion auf die Bedeutung von Kooperation für Innovation. „Man muss eine Innovationskultur wollen,“ sagte Friedhelm Loh. „Innovation ist immer die Basis von Erfolg“, fügte er hinzu. Prof. Dr. Thomas Nauss, Präsident der Philipps-Universität Marburg, beschrieb die Bedeutung von Räumen, um die Basis von Kooperation zu legen: „Das gilt für uns innerhalb der Hochschule, zum Beispiel im neu konzipierten Faculty Club, wo Fachbereiche aufeinandertreffen und es auch die Chance gibt, Neuigkeiten und Ideen auf einer Pitchbühne zu präsentieren.“ Das treffe aber auch für den Dialog mit der heimischen Wirtschaft zu: Nur gemeinsam könne Wertschöpfung entstehen, sagte Nauss. Aktuell gäbe es spannende Projekte wie die „Startup Factories“, wo aktiv nach Partnerschaften mit Unternehmen gesucht werde.
Manuel Stotz, Gründer von Gründer von flyze.solutions, betonte, dass die Zusammenarbeit mit seinem Startup immer von vertrauensvollem Miteinander und von dem gegenseitigen Profitieren geprägt sei. „Manche Mittelständler verstehen gut, dass wir die Dinge besser machen können und so alle etwas davon haben.“
Jedes Unternehmen müsse seinen Weg zur Innovationsfähigkeit finden, sagte Dr. Petra Schmidt, COO der Schunk Gruppe. Interne Kooperationen zu stärken und auch den Wettbewerb explizit zulassen sei dabei ein moderates Mittel. „Aber auch der Kauf oder die Zusammenarbeit mit Startups kann in der Situation hilfreich sein“, fügte Schmidt hinzu. „Deren Fokus auf die Technologie und unsere Erfahrung machen dann oft den Unterschied.“ Die Managerin riet den Unternehmen auch, sich nicht beirren zu lassen: „Der Mittelstand sollte mit breiter Brust und Selbstbewusstsein weiter machen.“
Am Ende waren sich alle Panel-Teilnehmende einig: Ohne Innovation gibt es keine Wettbewerbsfähigkeit. Regionale Austausche wie das Innovationsforum seien oft wichtige Meilensteine auf dem Weg in die Kooperation, denn dort könnten sich Partner auf Augenhöhe begegnen und kennenlernen. Einen wichtigen Aspekt brachte Friedhelm Loh am Ende auf den Punkt: „Gute Ideen auf das Gleis zu bringen ist die eine Seite der Medaille“, machte er deutlich. „Die Entscheidung, Geschäftsmodelle, die nicht mehr funktionieren, abzustoßen, müsse aber genauso mutig getroffen werden.“
„Solide Werte haben uns als Familienunternehmen immer getragen“, sagte Jan-Hendrik Goldbeck, der geschäftsführende Gesellschafter von GOLDBECK, einem der führenden Bau- und Dienstleistungsunternehmen in Europa, in seinem anschließenden Schlüssel-Vortrag. Er sieht sich und sein Unternehmen auf der Suche nach „innovativen Wertnüssen“, die es zu knacken gelte: „Ich muss die Möglichkeit der aktuellen Zeit nehmen und daraus ein Geschäftsmodell für die Zukunft bauen.“ Wichtig sei es, jene Partnerunternehmen, Wettbewerber und Universitäten zu finden, die es brauche, diese „Wertnüsse“ zu öffnen. Dabei stelle sich auch immer die Frage, welchen Nutzen Innovation adressiere. „Sprechen Sie mit den Leuten, die an dem Produkt aktiv sind, um innovativ zu sein und zu innovieren“, riet er dem Publikum. Und „Suchen sie sich ihre Partner, die Ihnen helfen, Ideen in Produkte umzusetzen.“
Interaktive Workshops mit praktischen Ergebnissen
Nach den Impulsen durch die Schlüsselvorträge und die Panel-Diskussion wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer selbst aktiv; die Workshops intensivierten die Themen des Vormittags. Wie man mit Co-Creation zur schnelleren Umsetzung kommt, war Thema bei „IHK Hessen innovativ“ am Beispiel regionaler Unternehmen wie der IT-Unternehmensberatung OPTANIUM. Welche Zukunftsfähigkeit mit nachhaltigem Wirtschaften erreicht werden kann, zeigte das RKW Hessen im Dialog mit Lokay Druck. Der Investor Dirk Rudolf zeigte schließlich auf, warum Wagniskapital als Innovationsbeschleuniger für den Mittelstand dienen kann.
Regionalmanagement Mittelhessen lebt Kooperation als Plattform vor
Stefan Füll, Präsident der Handwerkskammer Wiesbaden, hatte in seinem Grußwort als aktueller Aufsichtsrats-Vorsitzender des Regionalmanagements Mittelhessens betont, warum das Regionalmanagement nun bereits zum fünften Mal das Innovationsforum veranstaltet: „Als Regionalmanagement leben wir Ko-Operation und Ko-Kreation jeden Tag. Wir zeigen dadurch, wie wir durch Zusammenarbeit vieler Kräfte den Wirtschafts- und Hochschulstandort in der Mitte von Hessen stärken.“ „Unser Mittelhessen-Slogan ‚Wo Wissen Werte schafft‘ steht für die Region“, sagte Füll. „Um diese Werte auch künftig und in schwierigen Rahmenbedingungen zu schaffen, haben wir heute Impulse und gute Ideen dialogisch auf die Bühne gebracht.“ Er dankte allen, die bei diesen praxisbezogenen Diskussionsrunden und themenspezifische Workshops mitgemacht haben.
„Die Nachfrage zeigt, dass wir wieder einen Nerv getroffen haben“, kommentiert Jens Ihle, Geschäftsführer des Regionalmanagements Mittelhessen, den diesjährigen Themenschwerpunkt. „Rahmen zu schaffen für Innovationen gelingt nur gemeinsam und kooperativ.“ Der hohe Zuspruch von 190 Gästen unterstreiche, dass die Region Mittelhessen dafür bereit sei. „Bringen wir die heutigen Impulse zusammen auf die Straße und folgen dem Rat von Christoph Bornschein: „Einfach mal machen.“
Das Event ist Teil des EU-geförderten Projekts „Digitalisierung, Gründung, Innovation in Mittelhessen“ und wird aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung kofinanziert. Mehr Details zum Ökosystem gibt es auf https://www.foundershub-mittelhessen.de
Das Regionalmanagement Mittelhessen stärkt und vermarktet den Wirtschafts- und Hochschulstandort in der Mitte von Hessen. Der Schulterschluss aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik ist in den Themenfeldern Infrastruktur, Bildung und Fachkräfte sowie Forschung und Innovation tätig.
In der Regionalmanagement Mittelhessen GmbH haben sich alle Handwerkskammern, Hochschulen, Industrie- und Handelskammern, Landkreise und die vier großen Städte mit dem Verein Mittelhessen zusammengetan, um Strategien für die Region zu planen und Projekte gemeinsam umzusetzen. Mehr zur Region und zum Regionalmanagement auf https://www.mittelhessen.eu